Vegane Ersatzprodukte: Gut oder Böse?

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Es ist wohl eines der Themen, das viele Veganer*innen zur Weißglut bringt: Vegane Ersatzprodukte und deren Kritik. Mit Vorurteilen und Halbwissen wird wild umhergeworfen. Doch sind pflanzliche Alternativen tatsächlich unnötig, ungesund und eine „Schummelei“?

Definition

Zu Beginn möchte ich mich an eine Definition wagen: Vegane Ersatzprodukte bezeichnen pflanzliche Erzeugnisse, welche Produkte mit tierischen Inhaltsstoffen in deren Aussehen (und Geschmack) nahe kommen sollen. [vgl. 1]

Hier ein paar Beispiele:

  • Veganer Käse
  • Vegane Wurst
  • Vegane Eier
  • Veganer Speck
  • Vegane Würste
  • Vegane Steaks
  • Veganer Fisch
  • Vegane Butter
  • Vegane Milch
  • Veganes Leder
  • Veganer Pelz

Ich kann mir heutzutage eigentlich nichts vorstellen, was nicht auch vegan möglich wäre. Falls euch etwas einfällt, hinterlasst gerne einen Kommentar.

Um den Artikel nicht zu sprengen und das Wesentliche zu besprechen, geht es nachfolgend primär um vegane Ersatzprodukte im Bereich Lebensmittel.

Sojajoghurt & Weizensteak

Zumindest in Deutschland sind vor allem vegane Alternativen zu Milch und Joghurt besonders beliebt [8].

Für derartige Milchersatzprodukte werden verschiedenste pflanzliche Inhaltsstoffe bzw. charakterbildende Zutaten herangezogen, was eine breite Auswahl ermöglicht. Pflanzendrinks basieren bspw. auf [vgl. 10]:

  • Soja
  • Hafer
  • Reis
  • Mandeln
  • Kokos

Bei Fleischalternativprodukten wie Würstchen oder Steaks liefern bspw. …

  • Soja
  • Weizen
  • Erbsen
  • Reis
  • Lupinen

… das Protein zu dessen Herstellung. Die Proteinquellen können in der Herstellung auch gemixt werden, vor allem Soja und Weizen werden jedoch besonders häufig als Hauptproteinquelle herangezogen [3, S. 17].

Über Soja kursieren leider immer noch einige Vorurteile über dessen angeblich negativen Einfluss auf unsere Umwelt und Gesundheit (z. B. Verweiblichung von Männern), welche bei näherer Betrachtung jedoch zumeist nicht haltbar sind [vgl. 9, S. 397].

Interessant ist auch, dass vegane Fleischersatzprodukte wie Bratwürstchen oder Schnitzel zum Teil wesentlich mehr Protein beinhalten, als deren tierisches Pendant [3, S. 18–19].

Die Sorge, dass Veganer*innen an Proteinmangel leiden, ist also auch bei pflanzlichen Ersatzprodukten unbegründet.

Lecker! 😋

Moralischer Schwachsinn?

„Wenn Fleisch so schlecht ist, warum müsst ihr dann Fleisch nachahmen?“

Diese oder ähnliche Aussagen hört man als Veganer*in vermutlich häufig, wenn es um das Thema Fleischalternativen geht. Mischköstler*innen können teilweise nicht nachvollziehen, warum einige vegane Speisen an tierische Produkte angelehnt sind.

Der Grund für den Kauf veganer Ersatzprodukte ist jedoch überaus simpel:

Veganer*innen & Co möchten das Leid von Tieren (inkl. deren Tötung) minimieren und verzichten daher (soweit wie möglich) auf Produkte mit tierischen Inhaltsstoffen. Auch umweltbezogene, gesundheitliche und weitere Beweggründe können existieren.

Dennoch mögen viele Veganer*innen, Flexitarier*innen & Co den Geschmack und auch das Aussehen von tierischen Produkten wie Steak & Schnitzel.

Wenn es heutzutage Alternativprodukte gibt, wo all diese Wünsche erfüllt werden – also kein Tierleid, guter Geschmack, ansprechende Optik etc. – warum nicht diese Produkte kaufen?

Darüber hinaus erleichtern diese Produkte den Umstieg auf eine pflanzliche Ernährung, da man die gewohnten Lebensmittel weiterhin essen kann. Nur eben ohne Tierleid und auf pflanzlicher Basis.

Anders gesagt: Mithilfe pflanzlicher Ersatzprodukte kann die Verlustangst gegenüber den eigenen Lieblingsgerichten verringert werden. Für viele Menschen ist der Übergang hin zu einer veganen Ernährung eben nach wie vor nicht einfach [vgl. 5, S. 37].

Kritiker*innen/Idealist*innen werden vielleicht einwenden, dass es eine falsche Vorbildwirkung sei, wenn vegane Gerichte wie echtes Fleisch aussehen und auch nicht die gesündeste Wahl darstellen.

Aber heutzutage sind vegane Alternativprodukte in der Normalität angekommen und nichts mehr Exotisches. Analog zur Wahl bei tierischen Produkten, muss der/die Konsument*in auch bei veganen Produkten Verantwortung übernehmen und selbst entscheiden dürfen ob etwas gesundes oder nicht so gesundes gekauft werden soll.

Der durch vegane Ersatzlebensmittel entstandene Nutzen für Konsument*innen (= vegan zu leben wird einfacher) und letztlich auch für die Tiere und Umwelt, übersteigt mit Sicherheit eventuelle negative Effekte.

Vegane Eierspeise – auch das geht!

Geschmacklich pfui?

„Das schmeckt doch nach Plastik!“

Nicht nur die Verfügbarkeit, auch der Geschmack veganer Ersatzprodukte hat sich meiner Meinung nach in den letzten Jahren deutlich verbessert. Es gibt z. B. vegane Hühnerfilets, die sich geschmacklich und auch optisch überhaupt nicht vom tierischen Pendant verstecken müssen. Im Gegenteil!

Dennoch sollte man vegane Ersatzprodukte nicht mit der „sturen“ Einstellung essen und bewerten, diese müssten exakt gleich schmecken wie tierische Lebensmittel.

Meine Empfehlung: Mit niedriger Erwartungshaltung probieren und den Geschmack nicht sofort mit Fleisch- und Milchprodukten vergleichen. Vegane Ersatzprodukte haben eben auch eigene Geschmacksnoten, die in ihrer eigenen Weise lecker schmecken und neue Maßstäbe setzen.

Anders gesagt: Ein veganes Steak muss nicht genauso wie ein tierisches Steak schmecken um schmackhaft zu sein!

Ich empfinde z. B. die Produkte von „The Vegetarian Butcher“ oder „Green Mountain“ als extrem lecker und zumindest recht nach am tierischen Original (unbezahlte Werbung).

Außerdem gibt es (wie bei tierischen Lebensmitteln auch) recht große Unterschiede zwischen den einzelnen Alternativprodukten. So empfinde ich z. B. den Geschmack vom veganen Rindersteak der Marke „die Ohne“ nicht gut, deren Hühnerfilet schmeckt mir wiederum sehr gut.

Also am besten einfach testen, testen, testen!

Eine überschaubare Zutatenliste.

Schlecht für die Gesundheit?

„Da steckt doch nur Chemie drinnen!“

In den Medien hat es in der Vergangenheit immer wieder negative Berichte rund um vegane Ersatzprodukte gegeben. In erster Linie nehmen diese auf die gesundheitlichen Aspekte Bezug und klammern meiner Meinung nach viel zu oft ethische (und ökologische) Aspekte aus.

Dennoch ist es legitim und wichtig, die Produkte hinsichtlich der gesundheitlichen Wirkung unter die Lupe zu nehmen. Ein allgemeiner Tenor scheint zu sein, dass hochverarbeitete Produkte – egal ob nun pflanzliche oder tierische – nicht vorteilhaft für unsere Gesundheit sind [vgl. 11; 4, S. 4, 42].

In der medialen Kommunikation wird außerdem aus meiner Sicht folgendes zu wenig oder gar nicht betont: Es sind eben sowohl hochverarbeitete pflanzliche als auch hochverarbeitete tierische Produktgruppen (z. B. Wurst) gesundheitlich nicht gerade förderlich.

Klar sollte man auch bei veganer Wurst darauf achten, dass sich bspw. Salz, Zucker und Fett in Grenzen halten [vgl. 3, S. 11] und auch Wasser nicht überbordend vorhanden ist bzw. „echte“ Inhaltsstoffe wie Gemüse ersetzt [vgl. 12].

In diesem Zusammenhang ist es jedoch auch hilfreich zu verstehen, dass z. B. E-Nummern nicht automatisch mit schlechten Inhaltsstoffen gleichzusetzen sind bzw. vollkommen unbedenklich sein können (z. B. E300 = Ascorbinsäure = Vitamin C) [2]. Pure Chemie!! 😉

Wenn man es genau wissen möchte, könnte man im Supermarkt oder zuhause Zutatenlisten und Nährwehrtabellen studieren und Produkte im Regal oder online vergleichen. Fühlt man sich bei einer langen Zutatenliste unwohl bzw. hat man Probleme oder einfach keine Lust diese auf deren gesundheitliche Auswirkung zu analysieren, gibt es auch vegane Ersatzprodukte mit sehr wenigen Inhaltsstoffen zu kaufen [vgl. 3, S.16].

Diese Empfehlungen gelten jedoch nicht nur für vegane Ersatzprodukte, sondern eben auch für tierische Produkte. Anders gesagt: Das Problem hat man nicht nur bei pflanzlicher Wurst, sondern auch beim tierischem Leberkäse (was auch immer da drinnen ist 😜).

Bei tierischen Produkten kommen außerdem weitere Probleme wie der häufige Einsatz von Antibiotika in der Massentierhaltung hinzu, wovon Rückstände in tierischen Produkten enthalten sein können [4, S. 92–93]. Auch Fäkalien bzw. Keime können bspw. im Hühnerfleisch vorhanden sein und Infektionen auslösen [4, S. 88–89].

Diese Probleme hast du bei veganen Lebensmittel definitiv nicht! 🙂

Last but not least kommt es natürlich wie so oft im Leben auf die Dosis an. Wer den Kalorienbedarf ausschließlich mit Wurst und Speck stillt wird gesundheitliche Probleme bekommen – egal ob nun Veganer*in oder Fleischesser*in.

Darüber hinaus kann es meiner Meinung nach nicht schaden auf den eigenen Körper zu hören und zu beobachten, welche veganen Produkte gut bekommen oder eben nicht.

Ich esse z. B. ab und zu die veganen Bratwürstchen von dm (unbezahlte Werbung). Die schmecken gut, sind in Bio-Qualität und mein Körper meckert nicht. Auch ÖKO-Test hat die Würstchen mit „gut“ bewertet. Aber auch hier sollte man es natürlich nicht übertreiben!

Gar nicht so schlecht der Nutri-Score 😉

Schlecht für die Umwelt?

„Für das ganze Soja wird der Regenwald abgeholzt!“

Ja, für Soja wird Regenwald abgeholzt, aber der allergrößte Teil davon (ca. 80%) geht in die Tierindustrie [2, S. 351–352; 9, S. 365–366].

Vegane Ersatzprodukte bzw. generell die vegane Ernährung ist umwelt- bzw. klimafreundlicher als eine fleischbasierte Ernährung [vgl. 6, 7]. Pflanzliche Lebensmittel sind in der Herstellung weniger ressourcenintensiv und verbrauchen im Schnitt weniger Wasser, Land und CO2 [vgl. 5, S. 15].

Viel mehr gibt es an dieser Stelle glaube ich nicht zu sagen 😉

Soja aus Österreich ✅

Fazit

Allgemein betrachtet sind vegane Ersatzprodukte nicht ungesünder als deren tierische Pendants, meiner Einschätzung nach ist es eher umgekehrt (z. B. keine Antibiotikarückstände und Keime). Aber es kommt eben immer auf das einzelne Produkte an. Es gibt sowohl bei tierischen als auch bei veganen Produkten immense Unterschiede in puncto Qualität und Inhaltsstoffe.

Anders gesagt: Du kannst mehr oder weniger gesunde vegane Ersatzprodukte essen, genauso kannst du auch mehr oder weniger gesunde tierische Produkte konsumieren. Die Aussage, dass vegane Ersatzprodukte allgemein schlechter sind wie tierische Wurst & Co ist einfach nicht richtig.

Was aber bei pflanzlichen Ersatzprodukten besonders überzeugt sind deren ethischen (und umweltbezogenen) Vorteile. Warum also sollte man weiterhin tierische Wurst kaufen, wenn man ebenso vegane Wurst essen kann, die geschmacklich und gesundheitlich ebenbürtig ist und obendrein Tiere und Umwelt schützt?

#govegan

Quellen

[1]: Ersatzlebensmittel. https://de.wikipedia.org/wiki/Ersatzlebensmittel

[2]: Rittenau, Niko/Patrick Schönfeld/Ed Winters (2021): „Vegan ist Unsinn!“ Populäre Argumente gegen den Veganismus und wie man sie entkräftet. 1. Auflage. Deutschland. Hilden: Becker Joest Volk Verlag.

[3]: Huber J./Keller M. (2017): Ernährungsphysiologische Bewertung von konventionell und ökologisch erzeugten vegetarischen und veganen Fleisch- und Wurstalternativen. Studie im Auftrag der Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt, Berlin. Verfügbar unter www.albert-schweitzer-stiftung.de/fleischalternativen-studie

[4]: Greger, Michael/Gene Stone (2020): How Not To Die. 11. deutsche Auflage. Deutschland. Kandern: Narayana Verlag.

[5]: Leenaert, Tobias (2022): Der Weg zur veganen Welt. Ein pragmatischer Leitfaden. Deutschland. Bielefeld: transcript Verlag.

[6]: Marco Springmann/H. Charles J. Godfray/Mike Rayner/Peter Scarborough (2016): Analysis and valuation of the health and climate change cobenefits of dietary change. https://www.pnas.org/doi/10.1073/pnas.1523119113

[7]: J. Poore/T. Nemecek (2018): Reducing food’s environmental impacts through producers and consumers. https://www.science.org/doi/10.1126/science.aaq0216

[8]: Ergebnisse der aktuellen Veganz Ernährungsstudie. https://veganz.de/blog/veganz-ernaehrungsstudie-2022/

[9]: Rittenau, Niko (2019): Vegan-Klischee ade! Wissenschaftliche Antworten auf kritische Fragen zu veganer Ernährung. 6. Auflage. Deutschland. Mainz: Ventil Verlag.

[10]: Hafer, Kokos, Mandel, Reis, Soja: Milchersatzprodukte unter der Lupe. https://www.verbraucherzentrale.nrw/wissen/lebensmittel/kennzeichnung-und-inhaltsstoffe/hafer-kokos-mandel-reis-soja-milchersatzprodukte-unter-der-lupe-62593

[11]: Kevin D. Hall, Alexis Ayuketah, Robert Brychta, …, Peter J. Walter, Shanna Yang, Megan Zhou (2019): Ultra-Processed Diets Cause Excess Calorie Intake and Weight Gain: An Inpatient Randomized Controlled Trial of Ad Libitum Food Intake. https://www.cell.com/cell-metabolism/fulltext/S1550-4131(19)30248-7

[12]: Gesunde Alternativen? Vegane Ersatzprodukte fallen in Tests reihenweise durch – die Gründe sind vielfältig. https://www.geo.de/wissen/ernaehrung/vegane-ersatzprodukte-nicht-gesuender-als-ihr-original-31726744.html

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