Ich habe der Ernährungswissenschaftlerin und -beraterin Mag. Cornelia Führer, BA bzw. Conny von eatwhatfeelsgood.net 5 Fragen zur veganen Ernährung gestellt.
Meiner Meinung nach sind in diesem Interview absolut wertvolle Infos dabei, doch lest ab besten selbst:
Frage 1: Ist die vegane Ernährung gesund?
Pauschal lässt sich das nicht so einfach beantworten. Gesundheitsfördernd ist eine vollwertige, pflanzenbasierte Ernährungsweise. Diese kann natürlich rein vegan sein, jedoch auch kleine Mengen an tierischen Produkten enthalten.
Gleichzeit kann eine rein vegane Ernährung, bei der hauptsächlich Fertigprodukte, veganes Chunk-Food, vegane Süßigkeiten usw. konsumiert werden, nicht als gesund betrachtet werden.
Natürlich freuen wir uns, dass möglichst viele Firmen bei der Produktion veganer Alternativen nachziehen, gesund sind die jedoch nicht immer.
Wesentlich ist natürlich, ein Auge auf die kritischen Nährstoffe im Rahmen einer veganen Ernährung zu werfen. „Einfach nur weglassen“ – wie das bei einer vegetarischen Ernährung bis zu einem gewissen Grad noch machbar wäre, klappt bei der veganen Ernährung leider nicht. Hier muss bewusst auf kritische Nährstoffe geachtet und gegebenenfalls auch entsprechend mit Nahrungsergänzungsmitteln supplementiert werden. Zumindest um Vitamin B12 kommt niemand herum.
Ernährt man sich vollwertig pflanzlich, verträgt diese Kost gut, fühlt sich dabei energiegeladen und fit, hat ein Auge auf die kritischen Nährstoffe und ergänzt, was notwendig ist, dann kann eine vegane Ernährungsweise durchaus gesundheitsfördernd sein!
Zu beachten sind natürlich immer die individuelle Verträglichkeit, etwaige Vorerkrankungen etc.
Im Rahmen zahlreicher Untersuchungen hat sich eine pflanzliche Ernährungsweise, z.B. in Hinblick auf diverse Zivilisationskrankheiten, als durchaus positiv erwiesen!
Frage 2: Welche kritischen Nährstoffe gibt es im Rahmen einer veganen Ernährung?
Folgende Nährstoffe gelten bei einer veganen Ernährung, bezogen auf die Stellungnahmen internationaler Fachgesellschaften, als kritisch, sprich – es besteht die Gefahr, dass sie nicht im ausreichenden Ausmaß aufgenommen werden:
- Vitamin B12
- Vitamin B2
- Vitamin B6
- Vitamin D
- Eisen
- Jod
- Kalzium
- Selen
- Zink
- Proteine
- langkettige Omega 3-Fettsäuren (EPA & DHA)
Während einige davon durchaus gerechtfertigt sind (z.B. Vitamin B12, EPA & DHA), wird anderen oft zu unrecht die vegane Ernährung als Sündenbock dargestellt.
Laut WHO stellt der Eisenmangel beispielsweise den weltweit häufigsten Nährstoffmangel dar, unabhängig von der Ernährungsweise.
Vitamin D als Prohormon wird in unseren Breitengraden in den sonnenarmen Monaten von der Gesamtbevölkerung durchwegs unzureichend aufgenommen, das spiegeln auch die Laborwerte wider. Die Böden gelten in Mitteleuropa durchwegs als selenarm und ich wage zu bezweifeln, dass sich im Alltag viele Menschen Gedanken über ihr Jodversorgung machen ;-). Die empfohlene Jodzufuhr wird, laut dem österreichischen Ernährungsbericht 2017, von 87,1% der Österreicher:innen nicht erreicht.
Die Versorgung an den langkettigen Omega 3-Fettsäuren EPA & DHA kann bei einer veganen Ernährung tatsächlich unzureichend sein, da diese hauptsächlich in fettreichen Kaltwasserfischen vorkommen. Hierzu kommt die Frage der Effektivität der körpereigenen Umwandlungsraten. Durch die tägliche Zufuhr eines Algenöls kann hier aber leicht Abhilfe geschaffen werden.
Vitamin B12 muss bei einer veganen Ernährungsweise durch Nahrungsergänzungsmittel zugeführt werden, ohne Diskussion! Ich empfehle sogar bereits bei einer vegetarischen Ernährungsweise den Vitamin B12-Status kontrollieren zu lassen. Hier ist besondere Vorsicht geboten: der Gesamt-B12-Wert im Blut kann sehr lange ausreichend sein, bevor eine unzureichende Zufuhr oder ein etwaiger Mangel erkannt werden kann. Hiervon sollte man sich nicht täuschen lassen!
Die meisten kritisch betrachteten Nährstoffe können im Rahmen einer veganen Ernährungsweise durch entsprechende Lebensmittelauswahl ausreichend aufgenommen werden. Nahrungsergänzungsmittel können hier unterstützend wirken, wenn gewisse Lebensmittel unzureichend auf dem Speiseplan stehen oder die Nährstoffe nicht gut aufgenommen werden können.
Mir ist es in jedem Fall wichtig zu sagen, dass man sich nicht sofort von der (doch relativ langen) Liste an kritischen Nährstoffen abschrecken lassen sollte. Wie bereits erwähnt, betreffen einige der Nährstoffe auch die nicht-vegane Bevölkerung.
Sich ausreichend zu informieren und bei Unsicherheiten eine Fachperson zu kontaktieren, ist jedoch in jedem Fall zu empfehlen!
Frage 3: Braucht man Kuhmilch, um gesund zu leben?
Nein :-). Wahrscheinlich denkt man bei der Zufuhr von Kuhmilch direkt an die Kalziumversorgung. Jedoch handelt es sich auch bei Kuhmilch um ein komplexes Lebensmittel – mit positiven und negativen Eigenschaften.
Tatsächlich entwickelt der Mensch auf natürliche Weise im Laufe des Lebens eine Laktoseintoleranz (Anm.: Laktose ist der enthaltene Zucker in der Milch, welcher durch das Enzym Laktase gespalten werden muss), da Milch als Lebensmittel nur für die Säuglings- und Kleinkinderernährung gedacht ist (Muttermilch). Dass wir Kuhmilch häufig auch im Erwachsenenalter vertragen, ist eine Adaptation (Anpassung) an den regelmäßigen Konsum im Rahmen der Viehwirtschaft. Notwendig ist sie aber in keinem Fall. Kuhmilch enthält außerdem Wachstumshormone (da sie für heranwachsende Kühe gedacht ist) und kann potenziell fördernd auf verschiedene Krebsarten wirken.
In diesen Zusammenhang ist aber wichtig zu erwähnen, dass diverse Pflanzendrinks Kuhmilch als Lebensmittel nicht 1:1 ersetzen können. Sojadrink (mit Kalzium angereichert) nähert sich in Hinblick auf die Nährstoffe der Kuhmilch an. Andere Pflanzendrinks können zwar ähnlich wie Kuhmilch genutzt werden, haben aber eine andere Nährstoffzusammensetzung.
Besonders für die Säuglings- und Kleinkinderernährung ist diese Klarstellung wichtig!
Frage 4: Was sind die häufigsten Probleme deiner Klient*innen beim Umstieg auf eine vegane Ernährung?
Die meisten Menschen kommen zu mir, weil sie befürchten, nicht ausreichend mit allen notwendigen Nährstoffen versorgt zu sein. Sie möchten eventuell von einer vegetarischen auf eine vegane Ernährung umstellen und trauen sich aus Unsicherheit nicht, den letzten Schritt zu machen. Täglich beschäftigen sich die Medien mit dem Thema Veganismus, hierzu zählen natürlich auch Negativ-Schlagzeilen über Mangelernährung oder etwaige schädliche Langzeitfolgen.
Meine Kund:innen möchten eine vollwertige, vegane Ernährung etablieren, die sie mit allen ausreichenden Nährstoffen versorgt.
Zu Beginn stehen häufig Fragen im Raum, wie:
- „Womit kann ich Eier, Milch etc. ersetzen?“
- „Muss ich meine Portionsgrößen anpassen?“
- „Welche Nahrungsergänzungsmittel sind notwendig und wie dosiere ich sie richtig?“
- „Ich vertrage Hülsenfrüchte nicht gut – kann ich mich trotzdem vegan ernähren?“
- „Muss ich nun anders kochen? Ist der Küchenalltag dadurch viel komplizierter?“
- „Wie steht es mit veganen Ersatzprodukten? Sind sie sinnvoll, wie oft sollten sie konsumiert werden etc.?“
- „Wie kann ich vollwertige Gerichte unkompliziert und schmackhaft gestalten?“
- „Darf ich als Mann Soja(produkte) essen oder beeinflussen sie meinen Hormonhaushalt?“
- „Ist es normal, dass sich die Verdauung verändert?“
- „Seit ich auf vegan umgestellt habe, bin ich müde, mir ist ständig kalt und ich neige zu Verdauungsproblemen – was kann die Ursache sein?“
- „Welche Nährstoffe muss ich supplementieren? Muss ich nun mein Leben lang Tabletten schlucken?“
- u.v.m.
Viele Menschen kommen natürlich aus unterschiedlichen persönlichen Gründen auf mich zu, wenn sie eine vegane Ernährung etablieren wollen. Häufig sind auch gesundheitliche Faktoren die treibende Kraft.
Einige meiner Kund:innen wollen beispielsweise ihre Blutwerte verbessern (Eisen, Vitamin D, Vitamin B12) oder haben Probleme mit der Verdauung. Auch Abnehmen und Muskelaufbau sind immer wieder Thema – gepaart mit der „Angst“ der unzureichenden Proteinzufuhr :-).
Frage 5: Wie geht es deinen Klient*innen nach dem Umstieg auf eine vegane Ernährung?
Sehr gut!
Wie bereits erwähnt, müssen natürlich persönliche Hintergründe mitbedacht werden. Häufig ist es nicht nur der Umstieg auf eine vegane Ernährung, warum Menschen zu mir in die Ernährungsberatung kommen. Meistens kommen hier 2-3 Themen zusammen.
Am Ende der Betreuung oder nach der Beratungsstunde fühlen sich meine Kund:innen sicher in ihrer Lebensmittelauswahl und Mahlzeitenzusammenstellung. Sie wissen, welche Zubereitungsarten gut für sie funktionieren und wie sie schmackhafte Gerichte spielend leicht zubereiten können. Außerdem haben sie einen Überblick über ihre persönliche Nährstoffzufuhr, wissen, welche Nahrungsergänzungsmittel in ihrem persönlichen Fall sinnvoll sind und auf welche Produkte sie zurückgreifen können.
Ich nutze in meiner persönlichen Betreuung auch das Wissen der Traditionellen Chinesischen Medizin. So können individuelle Empfehlungen, optimal auf die jeweilige Person zugeschnitten, erfolgen und es kann noch besser unterstützt werden. Beispielsweise werden bei einer veganen Ernährung vermehrt kühlende Lebensmittel konsumiert, was häufig Frauen stärker spüren (Kältegefühle, weicher Stuhl…). Hier kann ich auf die Person detaillierter eingehen und entsprechende Empfehlungen geben.
In Summe berichten meine Kund:innen meist bereits nach kurzer Zeit über ein leichteres Körpergefühl, mehr Energie und weniger Müdigkeit nach dem Essen. Sie freuen sich über eine geregelte Verdauung 😉 und auch über neue sportliche Höchstleistungen wurde mir schon berichtet!
Danke für das Interview, Conny! Mehr Infos über Cornelia Führer und ihre Ernährungsberatung findest du hier.
Update: Conny hat mir nun ebenfalls 5 Fragen zum Thema Veganismus gestellt, jedoch mit einem Fokus auf ethische Aspekte. Check it out!
Seit ein paar Jahren beschäftige ich mich mit dem Thema Veganismus und dessen Auswirkung auf Tiere, Umwelt und Gesundheit. Ich mache mir gerne Gedanken über philosophische Themen, bin aber auch sehr gerne mal faul und regelmäßig auf meiner Couch zu finden. Eine große Tasse Kaffee (mit Sojamilch 😉) und ein guter Film an einem Sonntagvormittag – was will man mehr? ☕🛋
Hier findest du mehr Infos über mich!